Interview mit Vera Hoffmann

Weiter geht`s mit meiner Serie von Interviews mit Sportlerinnen und Sportlern aus verschiedenen Sportarten. Dabei geht es um die eigene Persönlichkeitsentwicklung durch ihren Sport, um ihre Erfahrungen als Jugendliche, die weitere sportliche Laufbahn und um Tipps und Ideen für die Arbeit mit Jugendlichen.

Vera Hoffmann

Vera Hoffmann ist eine Mittelstrecken-Läuferin, die für Luxemburg startet. Aufgrund ihrer deutschen Wurzeln, die in meiner Heimatstadt Vechta liegen (Dazu später mehr!), darf sie auch bei den Deutschen Meisterschaften starten. Ihre bisherigen Bestzeiten auf der Mittelstrecke zeigen ihre Leistungsfähigkeit: 800 m in 2:04,88, 1000 m in 2:43,87, 1500 m in 4:11,44 und 3000 m in 9:22,11 min. Ihr großes Ziel sind die Olympischen Spiele in Tokio oder spätestens 2024 in Paris!

Im Interview bietet sie spannende Einblicke in ihren Trainingsalltag und es wird schnell deutlich, wie fokussiert und professionell sie ihren Sport lebt.

Interview Persönlichkeitsentwicklung & Sport

Liebe Vera, ich freue mich sehr, dass du bereit bist, für den Glückslockenkopf-Blog einmal die folgenden Fragen zu beantworten.

Magst du dich einmal kurz vorstellen, wer du bist und was dich aktuell in deinem Leben besonders beschäftigt?

Ich heiße Vera Hoffmann, bin 24 Jahre alt und bin Luxemburgerin, jedoch in Deutschland geboren. Als ich ein Jahr alt war, sind wir nach Luxemburg gezogen und seitdem lebe ich hier. Ich bin Leistungssportlerin im Mittelstreckenlauf. Ich habe im Juni 2020 mein Bachelor-Studium an der Sporthochschule Köln abgeschlossen und studiere nun seit November 2020 im Master an der Uni Saarbrücken.

Auf dich aufmerksam geworden bin ich über Josef Kleier, dem Partner deiner Tante, der – wie ich – auch in Vechta lebt. Dieser erzählte mir bereits von einigen Besuchen auf deinen Wettkämpfen. Wie ist denn deine genaue Verbindung zu Vechta und wie kommt es, dass du sowohl für Luxemburg starten als auch an deutschen Meisterschaften teilnehmen kannst?

Meine Mutter ist Deutsche, mein Vater ist Luxemburger. Meine Eltern haben sich beim Studium in Deutschland kennengelernt. Wie eben schon erzählt, sind wir nach meinem ersten Lebensjahr von Deutschland nach Luxemburg gezogen. Meine Mutter ist in Vechta aufgewachsen, ihre beiden Schwestern (meine Tanten) wohnen noch immer in Vechta und somit habe ich diese Verbindung zu Vechta. Ich besitze die doppelte Staatsbürgerschaft (wegen meiner Eltern), dadurch darf ich auch bei Deutschen Meisterschaften starten. International vertrete ich jedoch nur Luxemburg.

In welchem Alter und wie bist du zum Laufen gekommen?

Ich bin mit ca. 7 Jahren in meinem lokalen und immer noch jetzigen Verein Mitglied geworden. Meinen Eltern war (und ist immer noch) ein aktiver Lebensstil sehr wichtig. Dadurch war es für mich und meine drei Geschwister normal, Sport in einem Verein zu betreiben. Meine beiden älteren Geschwister waren auch in dem Leichtathletikverein und ich bin dann irgendwann einfach mit zum Training gegangen. Anfangs macht man ja in der Leichtathletik so ziemlich jede Disziplin, von Laufen über Werfen und Springen. Im Alter von ca. 12 Jahren entscheidet man sich dann für eine Disziplin, und für mich war es klar, mich für Mittelstrecken zu entscheiden. Im Werfen, Sprinten und Springen liegen nicht wirklich meine Stärken ;-).

Was waren deine tollsten Erlebnisse beim Laufen als Jugendliche?

Die Trainingsgruppe und die Erfahrungen, die wir zusammen gemacht haben. Sich (große) Ziele zu setzen und eine Trainingsgruppe an seiner Seite zu haben, die dieselben Ziele hat bzw. einen dabei unterstützt, diese zu erreichen, schweißt einen enorm zusammen. Sich gegenseitig beim Leiden bei harten Trainingseinheiten zu sehen (geteiltes Leid ist halbes Leid ;-)), die schönen Momente von Erfolgen mitzubekommen und das volle Verständnis und Mitgefühl bei Niederlagen geben und bekommen zu können, ist unbezahlbar. Und dann natürlich die Trainingslager und Wochenendausflüge für Wettkämpfe während denen unendlich viele schöne und witzige Momente passiert sind.

Auf persönliche Wettkämpfe bezogen war mein schönstes Erlebnis auf jeden Fall meine erste Einzel-Qualifikation für eine internationale Meisterschaft. Ich habe mich 2015 für die U20 Europameisterschaften qualifiziert. Das war der Moment, in dem mir klar wurde: aus dem Ganzen kann tatsächlich etwas werden.    

Was hast du für deine eigene Persönlichkeitsentwicklung aus dieser Zeit mitgenommen?

Ich bin eine eher ruhige Person, die nicht wirklich gerne im Mittelpunkt steht und auch eher an sich zweifelt als an sich glaubt. Ich habe durch den Sport auf jeden Fall viel Vertrauen in mich gewonnen. Ich weiß, dass ich an mich glauben kann, dass ich gut bin, indem was ich tue und auch dazu stehen kann. 

Wie ging es bei dir mit dem Thema Sport als Erwachsene weiter?

Im Alter von 16/17 Jahren (als es realistisch wurde, dass ich mich für ein Großevent wie eine U20-Europameisterschaft, qualifizieren kann), hat es für mich im Kopf „Klick“ gemacht. Mit dem Erreichen dieser Qualifikation ist Laufen für mich definitiv zu einer Priorität geworden. Seitdem trainiere ich regelmäßig und stecke mir immer größere Ziele. Somit nimmt der Leistungssport seitdem einen großen Teil meines Lebens ein. Ich bin zwar Studentin, jedoch ist Leistungssport treiben wie ein Vollzeitberuf. Zum Sport gehören ja nicht nur die Trainingsstunden sondern alles Drumherum (wie Ernährung, Schlaf, etc.) auch noch. Ich kann mich sehr glücklich schätzen, daran Spaß zu haben und ein Umfeld zu haben, was mich und meinen Lebensstil akzeptiert und unterstützt.

Was sind deine nächsten Ziele beim Laufen und worauf freust du dich aktuell besonders?

Im Moment lässt sich ja wenig konkret planen… Die Halleneuropameisterschaften, die im März in Polen stattfinden sollen, sind auf jeden Fall das nächste Ziel (insofern diese stattfinden). Zusätzlich finden ja dieses Jahr auch noch die Olympischen Spiele statt. Eine Qualifikation dafür ist definitiv nicht einfach und eigentlich dieses Jahr auch noch nicht realistisch. Trotzdem werde ich alles tun, um mich in die bestmögliche Position zu bringen, um eine Qualifikation möglich zu machen. Die Teilnahme bei Olympischen Spielen sind aber auf jeden Fall mein großes Ziel!

Momentan werden die Wettkämpfe wieder alle abgesagt, so wie im März/April. Aus dieser Zeit habe ich gelernt, mich über Trainingserfolge zu freuen. Auch ohne Wettkämpfe hatte ich total Spaß, meine Entwicklung im Training zu sehen. Das ist momentan auch wieder mein Ziel und meine Motivation. 

Wie sieht eine typische Trainingswoche bei dir aus?

Die Trainingswoche variiert bei mir je nach Saisonzeitpunkt. Im Moment befinden wir uns noch in der Aufbau-/Grundlagenphase, die ersten Wettkämpfe auf der Bahn finden hoffentlich im Januar statt. Dadurch trainiere ich im Moment mehr Umfang und weniger Intensität und keine spezifischen Mittelstreckeneinheiten.

Montags: morgens ca. 30 min laufen; mittags ca. 30-40 min laufen + Lauf-ABC, Koordinationsübungen, Zirkeltraining

Dienstags: Tempodauerlauf (Einlauf+ ca. 8 km Schwellenlauf+ Auslauf)

Mittwochs: morgens ca. 30 min laufen; mittags: Bahntraining (z. B. 8x1000m oder 2x10x400m) mit natürlich Einlaufen und Auslaufen

Donnerstags: morgens 30 min laufen + Krafttraining; mittags: Schnelligkeitstraining (z.B. 3x5x120m) mit ca. 20-30 min Einlauf

Freitags: ähnlich wie Dienstags oder Bergläufe (Einlauf+ z.B. 5x90s, 5x60s, 5x30s bergan)

Samstags: ein längerer Dauerlauf (ca. 70 min) oder zwei kürzere Läufe

Sonntags: Bahntraining wie Mittwochs

Welche Gewohnheiten und Routinen helfen dir, deinen Sport fokussiert und erfolgreich auszuüben?

Sporttreiben ist meine Routine und gehört für mich fest zu meinem Alltag. Mein Tag wird von meinen Trainingseinheiten bestimmt. Ich plane diese im Vorhinein fest ein, und plane alles andere (wie Lernen, Essen oder Einkaufen) drum herum.

Hast du bereits Erfahrungen im Bereich Mentaltraining gesammelt und wenn ja, wie hilft dir das Mentaltraining in deinem Entwicklungsprozess weiter?

Ja, ich habe schon mit Mentaltrainern zusammengearbeitet. Mit Erfolgen kommt auch der Leistungsdruck, sei es von außen oder von sich selbst. Das Mentaltraining ist für mich eine Unterstützung im Training. Ich erarbeite mir eine „Werkzeugkiste“ damit ich in jeder Situation das passende Werkzeug habe und somit passend handeln kann. Dies hilft mir, in stressigen Situationen ruhig zu bleiben, nicht den Fokus zu verlieren oder alles Außenstehende ausblenden zu können. Auch der mentale Aspekt (im Sport) darf nicht vergessen werden, und oft ist es genau der, der vernachlässigt wird.

Welchen Tipp möchtest du Jugendlichen gerne mitgeben?

Spaß haben. Wenn ihr Spaß bei der Sache habt, ist es einfach sich zu motivieren und dabei zu bleiben. Finde deine Leidenschaft, egal in welcher Sportart oder Hobby diese liegt.

Was würdest du dir für den Sportunterricht an Schulen wünschen?

Meine Sportunterricht-Schulzeit ist schon etwas länger her, aber für mich war dieser Unterricht häufig mit Stress verbunden. Aus dem Unterricht in die Sporthalle oder Schwimmhalle laufen, dort hat man dann wenig Zeit sich wirklich auf den Sport zu konzentrieren und zack wieder zurück in den Unterricht. Ich hätte mir in der Schule gewünscht, dass der Sportunterricht nicht nur ein „Abhaken“ von einer Stunde in der Woche Sport wäre, sondern, dass der Mehrwert von Sport besser vermittelt wird. Durch den Sport bin ich organisierter, selbstbewusster und selbstsicherer geworden. Ich verstehe, was man mit Motivation und harter Arbeit erreichen kann, wie man mit Erfolgen und Niederlagen umgeht. All diese Qualitäten sind auch wichtig für das Leben neben dem Sport und diese könnte man auch in der Schule vermittelt bekommen.

Mehr von Vera Hoffmann

Vera veröffentlicht regelmäßig ihren eigenen VLOG auf YouTube, auf dem sie z. B. typische Trainingstage festhält, Athletik-Übungen zeigt oder einen Einblick in ihre Ernährung gibt. Auch auf ihrer Instagram-Seite findet man viele Videos und Beiträge von ihren Trainingseinheiten und von ihren Wettkämpfen. Da solltet ihr unbedingt mal vorbeischauen.

Ihr braucht noch mehr Sport-Inspirationen:

Schaut euch auch gerne die bisherigen Interviews der Serie mit der Dressur-Reiterin Kristina Bröring-Sprehe, Läuferin Kathi Stark oder Triathletin Inga Hintze an.

Ein tolles Material, um Klarheit für die eigenen Ziele im Sport zu finden oder anderen zu helfen, ihre persönlichen Ziele zu definieren, bietet das Workbook “Ziele erreichen im Sport”.

Ein Kommentar

  1. Ulf Dunkerbeck

    Passt gut in deine Grundlagen

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