Play Handball in Südafrika: Interview mit der Gründerin Nicola Scholl

A sport and development organization based in South Africa and Germany

Das Play-Handball-Projekt verfolge ich seit dem Start des Projekts 2013. Da die Gründerin des Projekts Nicola Scholl früher beim Bundesligisten VfL Oldenburg gespielt hat und ich deren Berichte immer verfolgt habe, war mein Interesse für das Projekt von Anfang an da – zumal Südafrika und gerade Kapstadt schon immer eine riesengroße Faszination auf mich ausgeübt haben.

Als ich vor 3 Jahren mit meinem Mann in Kapstadt war, habe ich Nicola Scholl angeschrieben, ob eine Besichtigung des Projekts möglich wäre, doch zu diesem Zeitpunkt war sie gerade in Kenia unterwegs, um dort ein weiteres Play-Handball-Projekt aufzubauen. Um so mehr habe ich mich über ihre Zusage für dieses Interview gefreut.

Viel zu organisieren beim Play Handball – Projekt

Liebe Nicola, ich freue mich sehr, dass du bereit bist, für meinen Blog einmal die folgenden Fragen zu beantworten!

Magst du dich einmal kurz vorstellen, wer du bist und was dich aktuell beschäftigt?

Ich bin gebürtige Oldenburgerin, ehemalige Handball-Bundesligaspielerin, habe ein Betriebswirtschaftliches Studium absolviert und danach als Unternehmensberaterin in Deutschland gearbeitet, bevor ich 2012 nach Südafrika gegangen bin, um meinem Leben eine andere Richtung zu geben. Hier habe ich in den letzten Jahren selbstständig Play Handball als eine unabhängige Handball- und Jugendentwicklungsorganisation aufgebaut und weiterentwickelt. Zudem habe ich meine C-/B-Lizenz als Handballtrainerin beim Deutschen Handballbund abgelegt und war als Handball-Entwicklungsexperte für den Deutschen Olympischen Sportbund in Jordanien bei der Entwicklung eines Handball- und Sozialkompetenzen-Handbuchs involviert. Aktuell beschäftigt mich vor allem die nachhaltige Weiterentwicklung der gemeinnützigen Organisation und unserer sportorientierten Bildungsprogramme für junge Trainer, Entwicklungsorganisationen und letztendlich Kinder und Jugendliche.

Nimm uns doch einmal mit an den Startpunkt des Projekts. Erzähl uns doch einmal, wie deine Idee für das Play Handball-Projekt entstanden ist und was deine ersten Schritte für die Umsetzung waren.

Die ersten Gedanken über Handball in Südafrika hatte ich, als ich selber als Freiwillige 2009 für drei Monate an einer High-School in Hanover Park, einem Township von Kapstadt, tätig war. Letztendlich weitergedacht und gestartet habe ich Play Handball im Oktober 2013. Ich bin 2012 nach Südafrika gekommen. Mir war damals noch nicht klar, wie lange ich hier wieder bleiben werde. Nun sind es jedoch schon acht Jahre geworden. Einen Monat bevor ich ins Land eingereist bin, habe ich davon gehört, dass Handball eine Prioritätssportart der Regierung werden soll. Das habe ich als Zeichen genommen. Im ersten Jahr habe ich mit dem Verband Kontakt aufgenommen, in lokalen Mannschaften gespielt und das Handballumfeld wahrgenommen. Mir ist dabei bewusst geworden, dass es keine Entwicklung an und für die Basis gibt. Es gab zwar nationale Turniere, aber keinen geregelten Spielbetrieb oder eine Trainerausbildung. Zudem war und ist immer noch für viele Kinder, vor allem in benachteiligten Gegenden, Handball oder strukturierter Sport im generellen nicht zugänglich, da es einfach nicht an Schulen oder in ihrem nahen Umfeld angeboten wird. Dies hat mich motiviert Play Handball als eine unabhängige Organisation zu starten, damit wir an der Basis lokalen Organisationen und Projekten helfen können, Handball für Kinder und Jugendliche anzubieten und Möglichkeiten der persönlichen und sozialen Entwicklung zu schaffen. Die ersten Projekte habe ich mit der Organisation SCORE in Franschhoek und Paarl, sowie unter Einbindung des Südafrikanischen Handballverbandes, gestartet. Danach sind Organisationen und Schulen auf Play Handball aufmerksam geworden und haben Interesse gezeigt. Wir helfen den Schulen und lokalen Organisationen ein Sportumfeld aufzubauen, Handball zu lernen, es zur Förderung der Sozialkompetenzen bei Kindern einzusetzen, spenden Ausrüstung, vermitteln Freiwillige zur Unterstützung und organisieren Turniere. So hat Play Handball sich in den letzten Jahren langsam und stetig weiterentwickelt und ist letztendlich auch seit 2016 in Kenia aktiv.

Der Spaß kommt nicht zu kurz beim Supercup!

Auf welche Schwierigkeiten bist du bei der Umsetzung des Projekts gestoßen und wie bist du damit umgegangen?

Wenn man eine komplett neue Sportart in einem Land ohne jegliches, finanzielles Startkapital aufbaut, ist dies grundlegend schon einmal eine große Herausforderung. Einfach nur eine Mannschaft zu bilden, macht unter Wettbewerbs- und Entwicklungsperspektiven keinen Sinn, da jeder der Sport „ernsthaft“ spielt auch gegen andere Mannschaften antreten möchte. Ich musste also eine Lösung finden, sodass ich die Entwicklung des Sports auf breiter Fläche ermöglichen konnte. Da Handball nicht so etabliert oder bekannt ist wie Fußball oder Netzball, gibt es keine anderen Mannschaften, mit denen man einfach mal schnell ein Turnier organisiert. Aus meinen Erfahrungen mit der NGO wusste ich jedoch, dass es Interesse für neue Sportarten in lokalen Organisationen gibt. Somit habe ich Play Handball von Anfang an als eine unterstützende Organisation für existierende lokale Organisationen aufgebaut und mich auf die Lösung der Mängel fokussiert wie Wissen, Ausrüstung und Helfer. 2014 habe ich das Freiwilligenprogramm gestartet. Damit konnten wir lokale Organisationen an der Basis mit kompetenten jungen Trainern unterstützen und den Sport an die Basis bringen. Das Freiwilligenprogramm hat uns Starthilfe gegeben und mehrere Entwicklungsziele gleichzeitig abgedeckt: die Hilfe lokaler Partner mit Wissen und Helfern, die Finanzierung des Projektes und die Entwicklung des Sports in die Breite. Nach und nach konnten wir dadurch unser Netzwerk ausbauen und weitere Partner gewinnen mit uns zusammen zu arbeiten und Projekte umzusetzen. Wir sind jedoch noch lange nicht mit Play Handball am Ende unserer Entwicklung angekommen und / oder finanziell stabil. Es ist eine tägliche Herausforderung die Organisation strategisch, organisatorisch, inhaltlich und finanziell weiterzudenken. Doch im Laufe der Jahre habe ich ein gutes Netzwerk mit tollen lokalen Partnern aufgebaut. Wir alle unterstützen uns und arbeiten gemeinschaftlich, auf Augenhöhe und partizipativ zusammen.

Welchen Mehrwert bietet ihr Jugendlichen in Südafrika und mittlerweile auch in Kenia mit eurem Projekt?

  • In Südafrika, aber auch in Kenia, gibt es in benachteiligten oder ländlichen Gegenden nicht viele Möglichkeiten sportlich aktiv zu werden. Play Handball schafft diese Möglichkeit. Insbesondere in Südafrika gibt es an vielen öffentlichen Schulen keinen Sportunterricht. Wir helfen hier mit der Ausbildung von Trainern und/oder Lehrern, Bereitstellung von Ausrüstung und Vermittlung von Freiwilligen an unsere Partnerprojekte. Dadurch unterstützen wir die Entwicklung eines Sportangebotes in benachteiligten Gegenden und an Schulen.
  • Zudem verlinken wir Handball mit wichtigen sozialpolitischen Themen wie Umweltschutz, der für viele Kinder und Jugendliche erst mal keine Priorität besitzt. Mit dem Play Handball SuperCup haben wir bspw. eine Turnierserie gestartet, die Aufmerksamkeit und Interesse bei den Kids für umweltfreundliches Verhalten weckt, wobei Handball natürlich im Mittelpunkt steht und der Motivationsfaktor ist.
  • Viele Kinder und Jugendliche in unseren Partnerprojekten kommen aus zerrütteten Familienverhältnissen und Gemeinden. Die Möglichkeit an strukturierten Sporteinheiten teilzunehmen gibt den Kindern ein Gefühl des Vertrauens und der Zugehörigkeit. Das Handballteam bietet Halt und zudem erfahren sie im gemeinsamen Training und in Turnieren positive Werte und Erlebnisse. Anderseits bietet dieser sicherer Raum des Trainings auch einfach die Möglichkeit abzuschalten und die Schwierigkeiten des täglichen Lebens für einem Moment zu vergessen.
Mit Herz und Leidenschaft dabei: Nicola Scholl und ihr Team

Warum ist aus deiner Sicht Handball für Jugendliche für ihre Entwicklung ein so wertvoller Sport?

Handball ist ein Teamsport und ein Sport mit Körperkontakt. Damit bietet Handball viele Möglichkeiten durch die Interaktion mit Mit- und Gegenspielern Sozialkompetenzen zu erlernen. Handball bietet die Möglichkeit einen konstruktiven und positiven Umgang mit anderen Menschen in einem sicheren Rahmen zu erleben und sich wertvolle Verhaltensweisen anzueignen. Da Handball ein Teamsport ist, gibt er ein Gefühl der Gemeinschaft und der Zugehörigkeit. Gerade bei Kindern aus südafrikanischen Townships, die eher in zerrütteten Familienverhältnissen und Gemeinden leben, gibt die Mannschaft als eine Ersatzfamilie Halt und Struktur.

Ein weiterer Vorteil von Handball ist, dass Handball geschlechterneutral ist. Handball wird von Jungen und Mädchen gleichermaßen gespielt. In den Grundschulen motivieren wir die Trainer/Lehrer dazu in gemischten Mannschaften zu spielen. Oft wird Sport nämlich getrennt unterrichtet oder die Klasse gern in Jungs und Mädchen aufgeteilt. Die gemischten Mannschaften helfen dabei einen respektvollen Umgang zwischen den Geschlechtern zu fördern und die Barrieren aufzubrechen.

Was können Schulen in Deutschland von euren Erfahrungen durch Play Handball lernen?

Handball kann man überall spielen, es braucht nicht unbedingt eine Halle oder den perfekten Ball. Sofern man einfach ein Feld hat – ob Sand, Gras, Stein oder Schotter, zwei Mannschaften und einen Ball, kann man Handball spielen. Sport in der Schule soll Freude vermitteln und zu mehr Sporttreiben anregen. Daher ist es wichtig, alle Kinder einzubinden und ihnen auch die Angst zu nehmen. Handball kann recht hart zur Sache gehen, gerade der Körperkontakt und der doch recht harte Lederball sind oft Barrieren, die ängstlicheren oder weniger begabten Kindern schnell die Freude nehmen können. Daher ist es wichtig Alternativen parat zu haben, sich nicht immer an das Regelwerk zu halten und es den Kindern entsprechend anzupassen, ohne das Ziel des Spiels zu verlieren. Wir spielen oft mit weniger Kindern, auf kleineren Feldern, auf hartem Steinboden, mit Hüttchen als Toren und ohne Körperkontakt.

Handball und Sport im generellen können dazu beitragen Kinder für andere Themen zu begeistern und das Lernen kann spielerisch gestaltet werden. Mit unserer Spieleserie „Fair Play for the Environment“ und dem SuperCup haben wir gezeigt, dass es möglich ist Umweltschutz mit Handball zu verknüpfen.

🙂

Welche konkreten Ideen und Anregungen hast du für Lehrer und Trainer für die Arbeit mit Jugendlichen?

Aus meinen Erfahrungen mit den Trainern und Lehrern vor Ort hat es positive Effekte, die Kinder in die eigentliche Entwicklung des Spiels einzubinden. Die Kinder erhalten eine aktive Rolle in der Entwicklung des Spiels von der Grundidee zu einem geregelten Spielablauf. Dadurch fühlen sie sich mehr dem Spiel verbunden. Diese Mitbestimmung ist auch bei der Einigung der Art und Weise des Miteinanders wichtig. Es ist wichtig, klare Regeln und Strukturen im Umgang miteinander zu haben. Das schafft Vertrauen und Beständigkeit. Vor allem bei den Kindern und Jugendlichen, mit denen wir hauptsächlich zusammenarbeiten, ist Sicherheit und Verlässlichkeit ein wichtiger Faktor, um Vertrauen aufzubauen und aktive Beteiligung zu fördern. Ich denke, dies sind jedoch Grundlagen, die überall auf der Welt in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen gelten.

Einblicke in Play Handball

Für einen spannenden Einblick auf den Play Handball Supercup und die Umsetzung der Kombination aus Handball und Umweltschutz schaut euch gerne einmal das Video an:

Zahlreiche weitere Videos findet ihr auf dem eigenen Play Handball-Kanal bei You-Tube.

Für weitere Informationen zum Play Handball Projekt, die aktuellen Besonderheiten des Projekts im Zusammenhang mit Corona oder für die Möglichkeit als freiwilliger Handballtrainer mitzuhelfen, schaut unbedingt auf Play Handball vorbei.

Wollt ihr auf dem neuesten Stand bei Play Handball bleiben, dann folgt dem Projekt einfach auf Instagram unter play.handball oder auf Facebook unter PlayHandballZA.

Hoffe, ihr habt einiges Interessantes und Spannendes aus dem Interview mit Nicola Scholl mitgenommen. Hinterlasst uns auch gerne euer Feedback!

Weitere spannende Sportberichte auf dem Glückslockenkopf-Blog findet ihr hier: Interview mit Olympiasiegerin Kristina Bröring-Sprehe & meine persönlichen Erlebnisse im Handball.

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